Im Film „Sharper“ des Regisseurs Benjamin Caron wird das Publikum gleich zu Beginn auf das kommende Geschehen vorbereitet. Die Eröffnungsszene ist glatt, ein wenig gemein und irgendwie albern – und genau das erwartet die Zuschauer im Verlauf dieser Gauner-Drama-Komödie. Carons Regiedebüt basiert auf dem Drehbuch von Brian Gatewood und Alessandro Tanaka, das auf der Blacklist stand. Der Film erzählt eine klassische Gaunergeschichte und verpackt sie in ein eigenes Whodunit-Szenario, in dem jeder eine gewisse Schuld trägt oder manipuliert wird. Mit rückwärts erzählter Handlung und Kapiteln, die nach bestimmten Charakteren benannt sind, hält „Sharper“ das Publikum für fast zwei Stunden auf Trab.
Leider ist es besser, wenn das Publikum vorher nicht zu viel über „Sharper“ weiß. Selbst die Ankündigung eines Gauner-Dramas mit einer hochkarätigen Besetzung – Julianne Moore, Sebastian Stan, Justice Smith, John Lithgow und dem aufstrebenden Star Briana Middleton – lässt das Publikum während des gesamten Films misstrauisch bleiben und sich ständig fragen, wer hier wen betrügt und warum. Doch das sollte man loslassen, wenn möglich.
Der Film beginnt mit einem Kapitel namens „TOM“, in dem ein eher unscheinbarer Buchladen-Manager namens Tom (Justice Smith) von einer attraktiven Doktorandin namens Sandra (Briana Middleton) aus dem Konzept gebracht wird. Sie teilen die Leidenschaft für Bücher, insbesondere für „Jane Eyre“, was bereits ein Hinweis darauf ist, dass diese Charaktere nicht so recht zusammenpassen. Doch dann nimmt die Geschichte Fahrt auf: Sandras Bruder taucht auf, um Geld zu erbitten, und ausgerechnet Tom hat ein dickes Vermögen, das er gerne für seine Liebste opfern würde. Wer betrügt hier wen? Das kann man sich denken, aber „Sharper“ hat noch einige Tricks auf Lager. Der Film springt in der Zeit zurück, um zu zeigen, wie Sandra in diese zwielichtige Situation geraten ist, mit Hilfe der Gauner Max (Sebastian Stan) und Madeline (Julianne Moore).
Die Art und Weise, wie diese vier Hauptcharaktere – und John Lithgow als wohlhabender New Yorker, den Madeline ins Visier genommen hat – aufeinandertreffen, ist selten überraschend, aber die Art und Weise, wie Gatewood und Tanaka sie miteinander verbinden, kann fesselnd sein. Sandra und Max lernen sich zufällig in einer Bar kennen, und Max erkennt in Sandra das Potential für eine gute Komplizin. Doch die Hintergründe von Max und Madeline bleiben größtenteils im Dunkeln. „Sharper“ spielt mit dem Konflikt zwischen dem, was wir sehen und dem, was wir nicht sehen können, und das Drehbuch gibt nach und nach verschiedene Informationen preis, um dieses Thema zu unterstützen.
Leider ist nicht alles so scharfsinnig wie erhofft. Wenn „Sharper“ seine vielen verwobenen Handlungsstränge rückwärts entwirrt, werden aufmerksame Zuschauer die Hinweise oft schon von weitem erkennen. Die Momente, die sich nicht unbedingt verdient anfühlen, werden mit Steven-Soderbergh-ähnlichen Rückblenden kaschiert, die uns Ereignisse zeigen, von denen wir bis dahin nichts ahnten. Die gesamte Gaunerei ist einfach eine Tick-Tock-Liste von schlechten Menschen, die sich sehr schlecht benehmen.
Dennoch präsentiert sich „Sharper“ mit den Attributen eines anspruchsvolleren Films, und Carons Inszenierung erweckt oft den Eindruck, dass es sich um ein raffinierteres Werk handelt. Die hervorragende schauspielerische Leistung jedes Stars – insbesondere Briana Middleton, die in den ersten beiden, sehr unterschiedlichen Kapiteln des Films eine echte Gratwanderung vollbringt – hebt den Film auf ein höheres Niveau. Die Dreharbeiten an Originalschauplätzen in New York City verleihen dem Film eine echte Textur, die perfekt zu einem Film passt, der von Täuschungen und Illusionen handelt. Man kann erahnen, wohin die Geschichte führt, aber trotzdem wird man die wilde Fahrt dorthin genießen.