loscil + Lawrence English – COLOURS OF AIR

Drone-Musik erzeugt bei mir oft visuelle Effekte. Nicht, dass ich Synästhesie hätte, ich habe einfach zu viele Stunden damit verbracht, Filme mit drohnenlastigen Soundtracks zu schauen. Dies resultiert in einer eigenartigen Mischung aus Erinnerung und Vorstellungskraft, in der mein Geist Bilder aus einem flüchtigen Irgendwo auf jede gestreckte Klangleinwand stickt.

Auf COLOURS OF AIR haben das Dream-Duo, bestehend aus dem renommierten Ambient-Künstler loscil und Lawrence English, dem Chef des Labels Room 40, auf einer hundert Jahre alten Pfeifenorgel exquisite emotionale und stark manipulierte akustische Stücke geschaffen. Jedes Stück erhielt seinen Namen nach dem Farbton, den es ihnen suggerierte. Dies wirft die Frage auf: Stimmen Menschen mit Synästhesie überein in ihrer Wahrnehmung von Farben und Tönen?

Verschiedene Studien sagen nein. Aber das ist für diese beiden Giganten der experimentellen Ambientmusik Nebensache. Im Gegensatz zu den jüngsten Orgelarbeiten von Sarah Davachi und Kali Malone führt COLOURS OF AIR Melodie und Atmosphäre an. Die ambientale Umgebung, in der sie agieren, formt sich aus ihrer suggestiven Farbpalette, indem sie Ideen und Klangfetzen wie Staffelhölzer in einem Wettlauf austauschen (vorausgesetzt, der Wettkampf findet auf dem Mond oder in einem mit Melasse gefüllten Schwimmbecken statt). Dementsprechend wirken die Bildblitze, die das Album hervorruft, eher inspiriert von als durchdrungen von den Fransen eines bestimmten Pigments.

‘Aqua’ beispielsweise beschwört silberne Signale, die an Neptuns Dreizack erinnern, der elektrische Bögen durch kühles Wasser zischt. Der fünfte Track, ‘Black’, fühlt sich eher an wie eine düstere Verehrung von in Zeitlupe ablaufendem Kirchengottesdienst, während ‘Grey’ das ferne Dopplern von kriechenden Krankenwagen vermittelt. Die rhythmische Kadenz, die ‘Violet’ schmückt, erweckt den Eindruck eines vor einer Flut von Blei fliehenden Zuges, und dann hören wir in ‘Pink’ etwas, das klingt, als würde John Carpenter an Demenz erkranken, dazu verdammt, die ersten beiden unheimlichen Noten eines 80er-Jahre-Soundtracks, den er einst komponierte und jetzt kaum noch erinnert, zu wiederholen. Das Refrain verliert sich in einem beunruhigenden Nebel, seine Spur verformt, verzerrt und dehnt sich wie ein riesiger Kaugummiballon aus.

Das abschließende Stück des Albums, ‘Magenta’, formt sich durch wild umher schwingende Arpeggios auf dunklen Pads, die das rechte Ohr beklatschen, bevor sie zum linken Ohr hüpfen. Es gibt die Art von absteigendem Drone, der in der modernen Science-Fiction zum Inbegriff für die Landung eines Raumschiffs geworden ist und das Finale mit einem erwartungsvollen, kinematografischen Gefühl einer milden Bedrohung schmückt. Je länger der Ton, desto milder die Bedrohung.

Trotz aller bildlichen Assoziationen könnte man vermuten, dass diese Kollaboration sich nahtlos in den Hintergrund einfügt. Aber in Wirklichkeit ist es eine so ansprechende Veröffentlichung, wie man es sich nur erhoffen könnte. Die melodischen Schichten, die die Oberfläche schmücken, bieten genug Trost für Gelegenheitshörer, während neugierige Zuhörer herzschwere Ebenen entdecken werden, wenn sie nur ein wenig hineinlehnen. Wie man es von den ruhigen Händen am Ruder erwarten würde, handelt es sich hierbei um ein cortex-umarmendes Drone-Album von Schönheit und Tiefe. Ein Soundtrack, der es wert ist, danach zu leben.