Die Erde ist allgegenwärtig in Richard Skeltons Musik. Der in Großbritannien ansässige Musiker, Schriftsteller und Filmemacher findet oft Inspiration in den Landschaften um ihn herum oder in geologischen Konzepten und lässt sich von ihnen in seiner Kunst leiten. Frühere Alben haben Themen wie Gletscher oder Anglezarke aufgegriffen und mit Klang das Gefühl dieser Orte und Ideen hervorgerufen. Doch auf „SELENODESY“ verlässt er den Boden und richtet seinen Fokus auf das Kosmos. Der Titel bezieht sich auf die Wissenschaft des Studierens und Kartografierens des Mondes und macht das Geheimnis des Universums zu seinem Spielplatz. Hier vermischen sich Skeltons elektronische Kompositionen mit federleichten Melodien und dem messerscharfen Klang von Alben wie „A Guidonian Hand“ aus dem Jahr 2021, um die Weite des Himmels widerzuspiegeln.
Der Himmel ist seit Skeltons Umzug aufs Land zu einem größeren Teil seines Lebens geworden, wo das Sternegucken viel fesselnder ist als in der Stadt. In schlaflosen Nächten schaute er aus dem Fenster und sah den Himmel für Meilen leuchten, beobachtete, wie er glitzerte, während er halb bewusst im Bett lag. Obwohl seine Arbeit wissenschaftliche Konzepte aufgreift – die Alben- und Songtitel zum Beispiel sind alle nach wissenschaftlichen Prinzipien benannt – ist seine Musik metaphorisch und ruft die Empfindung hervor, nachts in die Sterne zu schauen.
Skelton fängt die Weite des Universums ein, indem er kontrastierende Texturen übereinanderlegt und so Tiefe schafft. Kein Moment verharrt zu lange in Stasis: „hypervelocity“ zum Beispiel baut sich aus einem weichen, wellenartigen Klang auf, aber gerade wenn alles am anmutigsten erscheint, durchschneidet ein scharfer Schmerz sie und bietet einen Geschwindigkeitswechsel. „lesser gravity“ beginnt mit geisterhaften Schimmern, die sich im Verlauf des Tracks allmählich in spitzige Eiszapfen verwandeln. An anderen Stellen taucht Skelton in ein schwarzes Loch aus Klang ein und kämpft sich wieder heraus. „The plot of lunar phase“ entwickelt sich aus einem bedrohlichen, tiefen Dröhnen und legt scharfe Quietschen und unheimliche Summen darüber, gelegentlich mit einigen hohlen Funkeln, die etwas Leichtigkeit bieten. In Momenten wie diesen vermittelt Skeltons Musik die Unermesslichkeit des Nachthimmels, aber auch die Angst, die daraus entstehen kann, das Gefühl, vom Unbekannten verschlungen zu werden.
„SELENODESY“ lebt von Kontrasten – Weite und Kleinheit, Sanftheit und Härte. Da diese Kontraste Seite an Seite existieren und sich umeinander drehen, wirkt ein Großteil des Albums gequält und unsicher, wie das Gefühl, viel zu tief in den eigenen Gedanken zu versinken. Doch wenn der letzte, dramatische Energieschub einsetzt, stellt sich ein Gefühl der Akzeptanz und Befreiung ein und erinnert uns daran, dass etwas Seltsam Beruhigendes darin liegt, dass wir vielleicht niemals alle Antworten auf das Universum haben werden.