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Surgeon – CRASH RECOIL

„Crash Recoil“ ist das erste Album von Anthony Child, alias Surgeon, seit 2018 und markiert eine galvanisierte Übung in Spontaneität. Child hat das Album aus der improvisatorischen Herangehensweise von Live-Auftritten geschmiedet. Dabei imitiert „Crash Recoil“ häufig den Fluss eines Surgeon-DJ-Sets, strukturiert um aufbauende Spannung, Schwung und Überraschungen. Child ist kein Unbekannter in Sachen experimenteller Technologie bei Live-Auftritten. Jahrzehntelange Nächte im House of God in Birmingham – ganz zu schweigen von einem Opening-Slot für Lady Gaga – zeugen von Childs Ruf als titanischen und oft theatralischen DJ. Seine Studioveröffentlichungen waren ebenso erkundend, sei es durch Aufnahmen von Regenwäldern, Konsultationen eines Astrophysikers oder Verweise auf das Tibetische Totenbuch. Dann waren da noch die drei Alben, die er Ende der 1990er Jahre auf dem Berliner Label Tresor veröffentlichte (als Kompilation 2015 neu aufgelegt), die ihn in der internationalen Tanzmusikszene bekannt machten.

Die acht sechsminütigen Tracks auf „Crash Recoil“, ebenfalls auf Tresor veröffentlicht, enthalten alle Merkmale der Surgeon-Klassiker: die Disziplin und Präzision, die sein Alias suggeriert, zusammen mit einem unaufhörlichen Stakkato programmierter Drums. Man könnte ihn mit den üblichen Adjektiven wie „industriell“ oder „brutalistisch“ beschreiben, doch das würde seine Fähigkeit, Leichtigkeit aus dem perkussiven Stampfen herauszukitzeln, nicht angemessen würdigen. Der Opener „Oak Bank“ ist typischerweise flink, bewegt sich von einem blechernen Rhythmus zu schwitzigem Techno. Ebenso befriedigend ist das taktile Klappern von „Metal Pig“.

Jede Brutalität wird auch durch Childs charakteristische ambientartige Note abgemildert: Der Club wechselt häufig ins Kino. Das arpeggierte Drama von „Leadership Contest“ könnte den Soundtrack eines politischen Thrillers liefern, bis seine ansteigenden Synthesizer in etwas Undefinierbares übergehen, und „We laugh and clap at the circus“ erzeugt eine unheimliche Stimmung wie in einem Horrorfilm. Synth-Pads lassen in „Subcultures“ Raum in die Intensität einströmen, während „Hope Not Hate“ mit einem überraschend grandiosen Abschluss endet.

Diese Details – schräge Zeitstrukturen, klangliche UFOs – festigen Childs Ruf und bieten gleichzeitig einen neuen Anstrich. „Crash Recoil“ ist genauso straff und muskulös wie alles, was er bisher gemacht hat, aber hier gibt es auch eine gewisse Lockerheit, ein zeitgenössisches, zugängliches Gefühl, das darauf hindeutet, dass Surgeon, indem er neue Dinge ausprobiert, um aus einer kreativen Sackgasse auszubrechen, erneut das Genre vorantreibt.