Während ich das neue Album von Sham-e-Ali Nayeem höre, ist es für mich unmöglich, nicht um den Verlust von Leben während des Delhi-Pogroms im Jahr 2020 zu trauern. Am 23. Februar jenes Jahres erlebte die Hauptstadt Indiens eine der schrecklichsten staatlich geförderten Gewalttaten gegen die muslimische Gemeinschaft. Die nach der Verabschiedung des umstrittenen CAA (Citizenship Amendment Act) im Dezember 2019 entstandenen Unruhen forderten 53 Menschenleben. Doch „Moti Ka Shahar“ ist nicht so sehr ein Album über eine Tragödie, als vielmehr eine Erinnerung an die Gewalt, die weltweit gegen Minderheiten verübt wurde.
Mit Geschichten von unschätzbarem Verlust durchzogen, öffnet das Album einen Raum für Solidarität – insbesondere für alle, denen gesagt wurde, sie gehörten nicht dazu. Es ist ein Album, das sowohl mit narrativen Details als auch mit klanglicher Textur dicht ist. Auf der gesamten Platte gibt es einen drohenden Poltergeist aus Atemgeräuschen und Vokabeln, die die gespenstische Erzählkunst, die Nayeem aufzubauen versucht hat, beschleunigen. Trotz der emotionalen Themen, die in Trauer und Trauma getaucht sind, hat Nayeem ein kraftvolles Album zusammengestellt, das sowohl einladend als auch einnehmend ist. Vor allem geht es um das, was nach dem Verlust kommt – und das ist Resilienz.
Schon 2019 veröffentlichte Nayeem ein Buch mit Gedichten unter dem Titel „City of Pearls“, herausgegeben von Upset Press, eine Anerkennung ihrer Trauer um ihre Heimatstadt Hyderabad, Indien. Der Albumtitel „Moti Ka Shahar“ ist eine direkte Übersetzung dieses Namens und eine Erweiterung ihrer Gedichte über Trauer und Verlust. Von Anfang an liefert das Album den repetitiven Trip-Hop-Sound von Massive Attack und bildet so die Grundlage für Nayeems kristallklare Poesie. Der Eröffnungstitel ‚Place of Birth‘ (mit Gabriela Riley) führt Nayeems Erinnerungen an Hyderabad durch eine gespenstische Collage aus Elektronik und leisem gesprochenem Wort ein.
Nayeems Vorliebe für gespenstisches Songwriting wird klarer, je weiter das Album fortschreitet. Im Track ‚Hypothetically Speaking‘ hört man Nayeem und die pakistanisch-amerikanische Dichterin und Sängerin Abeeda Talukder, wie sie zwischen ihren charakteristischen Dichtungsstilen wechseln. Der Track ebnet auch den Weg für einen noch tieferen Einblick in die Trip-Hop-Ästhetik, die auf diesem Album verschiedene Formen angenommen hat. Mit einer Drohnen-artigen Produktion in Form einer friedlichen Elegie hat das Album einen gewissen Hauch von Überirdischem – nur dass es immer dunkler wird. Das Ätherische ist da, aber es scheint immer weiter und weiter entfernt zu sein. Das Albumcover, das wie ein Überbleibsel von Lasse Hoiles Kunstwerken auf den frühen Steven Wilson Platten aussieht, erweitert diese Erzählung und deutet auf das Wachstum des städtischen Verfalls hin.
Obwohl Nayeems Poesie meist eng mit den Trommelbewegungen verbunden ist, ist „Moti Ka Shahar“ nicht frei von subtilen Momenten kompositorischer Diskrepanz. So verdeckt beispielsweise der Track ‚Goddesses and Doormats‘ etwas, was isoliert betrachtet wie eine ausgezeichnete Produktion klingt. Doch am Ende hat Sham-e-Ali Nayeem ein Bild einer widerstandsfähigeren Zukunft gemalt, eine, die bei allen Minderheiten, die unter der Bedrohung eines bevorstehenden Völkermords leben, stark nachhallen wird.