„Myuthafoo“ ist ein Album, das sprudelt. Jeder Klang schäumt vor hochkarätiger Energie. Wie Laserstrahlen, die sich am Nachthimmel kreuzen, fransen die Kanten melodischer Linien im Schweigen um sie herum aus und schimmern mit unsichtbaren Energien in den Kosmos hinaus. Doch trotz seines glänzenden elektronischen Glanzes ist das neueste Album von Caterina Barbieri in vielerlei Hinsicht ein zutiefst klassisches – sogar barockes – Werk. Diese schimmernden, messerscharfen Klanglinien könnten ebenso gut das High-Tech-Lichtsystem einer Wald-Rave-Party sein oder das Licht Gottes, das auf den gebeugten Kopf der Jungfrau Maria in Carlo Crivellis Altarbild „Die Verkündigung mit dem heiligen Emidius“ aus dem 15. Jahrhundert herabscheint.
Wie die Heilige Mutter finden wir Barbieri auf dem Albumcover in einem holzvertäfelten Raum, den Kopf leicht geneigt. Wir fangen sie im Spiegelbild ein, ihre Augen suchen uns anklagend aus dem Rahmen heraus. Wie auf dem Coverbild ist dieses Album ein Spiel mit Linien des Lichts und der Vision, mit den geraden Pfaden, denen Energiebahnen folgen, und den vielfältigen Möglichkeiten, wie diese Strahlen reflektiert und gebrochen werden können, um dynamische, funkelnde Matrizen zu schaffen.
Bevor sie zum Star einer eigenartig europäischen minimalistischen elektronischen Szene wurde und in verrauchten Bühnen in Nachtclubs und Festivals neben House-DJs und Techno-Produzenten auftrat, spielte Barbieri klassische Gitarre und studierte Alte Musik. Diese Einflüsse haben sie nie ganz verlassen. Wenn Sie sich jemals gefragt haben, was Dietrich Buxtehude oder Girolamo Frescobaldi mit einem Eurorack-Modularsystem anfangen würden, könnte „Myuthafoo“ Ihnen eine Antwort geben. Im Herzen des Albums, wenn die Feuerwerke der ersten Tracks langsam erlöschen, stehen zwei stattliche Passacaglias, erfüllt von der Anmut der Buntglasfenster einer gotischen Kirche. Über sich wiederholenden Bassfiguren baut Barbieri eine immer komplexere Architektur von Melodien und Harmonien in dampfenden Synthesizer-Klängen auf. Mit dem Orthogonal 101 Modular-Synthesizer erzeugt, mögen die Mittel ein gewisses Maß an Zufälligkeit besitzen, aber alles klingt präzise platziert.
Traditionell stehen Passacaglias für eine Art tragischer Unabwendbarkeit: Denken Sie an Didos Klage aus Purcells „Dido und Aeneas“ oder den zweiten Akt von Benjamin Brittens „Peter Grimes“. Hier spiralen wir auf etwas Unsagbares, aber Erhabenes zu. „Myuthafoo“ wurde ursprünglich im Jahr 2019 aufgenommen, zur gleichen Zeit wie ihr vielgelobtes Album „Ecstatic Computation“ (ein Album, das sich laut Joseph Burnett von tQ in einer Welt befindet, in der Maschinen und Menschen in einem delirierenden Tanz zu ihrer beider Freude miteinander verbunden sind). Es ist eine Zeit, die heute irgendwie sehr weit entfernt erscheint, eine Zeit davor. Doch die strahlenden Linien von „Myuthafoo“ lassen vermuten, dass selbst die dunkelsten Tunnel am Ende noch ein brillantes Licht tragen können.