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Ear for Eye – Dieses rebellische und revolutionäre Meisterwerk fordert gesehen zu werden

Debbie Tucker Greens gleichermaßen provokatives wie poetisches Filmwerk „Ear for Eye“ basiert auf ihrem gleichnamigen Bühnenstück und ist nun endlich auch in den USA auf dem Criterion Channel verfügbar. Es ist ein Film, der eindringlich die tiefsitzende Wut und Verzweiflung der Schwarzen Bevölkerung aufgreift, um sie in einer Reihe von kraftvollen, inbrünstigen und unversöhnlichen Episoden auszudrücken. Die verschiedenen Handlungsstränge, die sich in „Ear for Eye“ überlappen, sind eine beeindruckende Darstellung von Aktivismus und dem Versuch, gegen institutionelle Gewalt und deren kumulative emotionale und psychologische Belastung anzukämpfen.

Die Figuren in „Ear for Eye“ sind keine gewöhnlichen Charaktere im klassischen Sinne. Vielmehr sind sie physische Manifestationen von Zorn, Bedauern und Entschlossenheit – namenlose Briten und Amerikaner, die minimalistische Sets bevölkern und Orte wie Harlem oder avantgardistische Traumlandschaften heraufbeschwören. Die Kameraarbeit von Luciana Riso fängt eindrucksvoll die Emotionen und Aussagen der talentierten schwarzen Darstellerriege ein.

„Ear for Eye“ ist in drei Teile gegliedert, die jeweils aufwühlender als der vorherige sind. Schon der Auftakt zeigt den Schauspieler Hayden McLean inmitten einer schwarzen Leere. Er wird von anderen schwarzen Männern umgeben, die gemeinsam eine flache Wasserfläche aus schwarzer Flüssigkeit bevölkern, die in jeder ihrer Bewegungen schimmert. Tucker Green verzichtet auf eine klare Deutung der inneren Regungen der Figuren und fordert das Publikum stattdessen auf, einfach zuzuhören und den Erfahrungen, Prüfungen und Frustrationen der Darsteller zu folgen.

Ein zentrales Motiv des Films sind Hände, die auf vielfältige Weise symbolisch für die Schwarze Gemeinschaft stehen. In „Ear for Eye“ verweisen sie jedoch auch auf die traurige Tatsache, dass Hände für viele Schwarze Menschen ein Mittel sind, um der Polizeigewalt entgegenzutreten: „Bitte, schießt mich nicht“ oder „Ich kann nicht atmen“.

Der Film verdeutlicht die zeitübergreifenden Ängste und Herausforderungen, denen sich Schwarze Menschen gegenübersehen, indem er Gespräche einfängt, die über Generationen hinweg geführt werden. Ein leidenschaftlicher Disput zwischen einer Mutter und ihrem Sohn, die versucht, ihm die Sichtweise der Weißen auf schwarze Hände nahezubringen, verdeutlicht die Balanceakte, die Schwarze Menschen in einer von Rassismus geprägten Welt vollführen müssen.

Die dritte und letzte Episode des Films zeigt eine ausschließlich weiße Besetzung, die historische Gesetze zum Nachteil von Schwarzen Menschen aus verschiedenen Epochen der amerikanischen Geschichte vorliest. Tucker Green gelingt es, diese antiquierten Gesetze mit gegenwärtigen Formen von Diskrimininierung zu verknüpfen und somit die fortdauernde Ungerechtigkeit und Benachteiligung von Schwarzen Menschen aufzuzeigen.

Neben Ava DuVernays „13TH“ und Garrett Bradleys „Time“ gehört „Ear for Eye“ zu den wenigen Filmen, die die tief verwurzelten Ungleichheiten, die buchstäblich in das Gefüge unserer Gerichte, Dokumente und Institutionen eingewoben sind, mit subtiler Anmut und starker Entschlossenheit offenlegen.

Debbie Tucker Greens „Ear for Eye“ ist eines der eindrucksvollsten filmischen Werke, die sich mit Black Lives Matter, dem Wahnsinn und der Psychose des Schwarzen Daseins in einer weißen Gesellschaft sowie den wiederkehrenden Zyklen des schwarzen Aktivismus auseinandersetzen. In jeder Einstellung, jedem scharfen Schnitt und jeder lebensechten Performance offenbart sich ein rebellisches und revolutionäres Meisterwerk, das so tief in das historische und öffentliche Bewusstsein von Rasse eintaucht, dass man sich seinem unerschütterlichen Sog nicht entziehen kann.

„Ear for Eye“ ist ein herausfordernder und beeindruckender Film, der das Publikum dazu auffordert, sich mit der Realität und den Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die Schwarze Menschen in der heutigen Gesellschaft erleben. Debbie Tucker Green hat ein Meisterwerk geschaffen, das nicht nur aufgrund seiner ästhetischen Brillanz und schauspielerischen Leistungen besticht, sondern auch aufgrund der dringenden Botschaft, die es vermittelt. „Ear for Eye“ ist ein Film, der gesehen werden muss – ein mutiger, provokanter und unvergesslicher Beitrag zur zeitgenössischen Filmkunst