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Jellyskin – IN BRINE

Jellyskins Debütalbum „In Brine“ ist eine electro-experimentelle, futuristische Elegie für alles Wasserbezogene. Über neun Tracks hinweg wechselt es zwischen glazialem Gothic-Pop („Marmalade“) und aggressivem Techno („Bringer of Brine“), ganz so wie die variable Natur des Ozeans selbst. Küstliche Bilder durchdringen das Album, jedoch nicht in der warmen, sonnendurchfluteten Art, die man erwarten würde. Stattdessen ist es düster blau-schwarz und abgrundtief. Stellt euch vor, Broadcast würden einen Techno-Hit über einen einsamen Wal machen, und ihr seid schon halbwegs dort.

Ist es möglich, über eine elektronische Formation mit retro-futuristischen Neigungen zu schreiben, ohne die Geister von Broadcast heraufzubeschwören? Wahrscheinlich nicht, obwohl offensichtlich ist, dass ihre vielseitigen Einflüsse, auch wenn sie deutlich erkennbar sind, instinktiv in die Songs einfließen, anstatt rein imitativ zu sein. Wie ein millennial Chris and Cosey ist offensichtlich, dass das Duo Will Ainsley und Zia Larty-Healy aus Leeds mehr als nur eine Vorliebe für Throbbing Gristles „20 Jazz Funk Greats“ haben. Doch bei „In Brine“ ist nichts offensichtlich.

Der thematische Rahmen von „In Brine“ bewegt sich ebenso zwischen konventionellen Konzepten wie er sie umarmt. Am bemerkenswertesten ist das Thema „52 Blue“, das sich auf den berühmten 52-Hertz-Wal bezieht, den einsamsten Wal der Welt, der mit einer ungewöhnlichen Frequenz von 52 Hertz kommuniziert, einer höheren Frequenz als andere Walarten. Hier vermittelt Zia Larty-Healy mit eiskalter Distanz Isolation, Einsamkeit und die Akzeptanz dieses Schicksals. „Punnet“, der entspannte Abschluss des Albums, greift das ozeanische Thema auf und füllt es mit einer kräftigen Dosis an surfiger Exotik. Jellyskin beherrschen sowohl melancholische Balladen als auch frenetische, elektronische Ausbrüche gleichermaßen gut: „Pulpy Mouth And Skin“ wirkt betont vornehm neben dem kraftvollen Opener „Lift (Come In)“ (ironischerweise ist dies der einzige Track auf dem Album, der gewisse Ähnlichkeiten mit Broadcast aufweist, insbesondere der Haha Sound Ära). „Am Rand des Piers, kalt und gewalttätig hier“, klagt Lea-Hartly in ersterem.

Jellyskins melodischer Impuls begeistert durchweg, aber es gibt flüchtige, verzeihliche Momente der Indifferenz. „I Was The First Tetrapod“ wäre ein Chart-Hit in einem parallelen Universum, aber „Chicken, Milk and Oranges“ bewegt sich gefährlich auf dem Pfad zur Mittelmäßigkeit, erreicht ihn aber zum Glück nicht ganz.

Dennoch ist „In Brine“ mit seiner dichten, vielschichtigen Produktion und den vielfältigen, nuancierten Elementen wie Field Recordings, eigenwilligen Schlagzeugklängen und schrägen Gitarrenverzierungen poppig und dennoch ungewöhnlich. Tanzbar und zugleich zuweilen klagend, verfolgt das Album unermüdlich die Perfektionierung des experimentellen Popsongs. Ein inspiriertes Debüt, die maritime Mystik von „In Brine“ ruft eine berauschende Verspieltheit hervor, die im Widerspruch zur wiederholten Eintönigkeit des modernen Post-Punk steht. Indem sie Pop- und experimentelle Formeln durch eine entschieden zeitgenössische Perspektive verschmelzen, bewegt sich „In Brine“ in einer seltsamen, aber genialen eigenen Welt.